Tag 65/2016: Roman „Nussmann und das Boot“ von Thomas Plausz

Ein neuer Plausz ist erschienen: „Nussmann und das Boot“, 320 Seiten stark, Erstauflage 12.000 Stück. Plausz, dessen Romane in den letzten Jahren im Kielwasser des allgemeinen Krimi- und Thriller-Booms mehr und mehr Beachtung fanden, könnte mit „Nussmann und das Boot“ nun vielleicht der große Durchbruch gelingen.

Im Mittelpunkt des Romans steht die französische Agentin Michelle Labrador, die verdeckt im Bootsbauermilieu der französischen Hafenstadt Dunkerque ermittelt. Man hat gleich zu Beginn den Eindruck, dass die Kritik an seinem Vorgängerwerk „Perlentaucher atmen nicht“, er würde seine Leserinnen und Leser durch seitenlange berufsspezifische Monologe seiner Figuren quälen, von ihm eher trotzig, um nicht zu sagen fadenscheinig, weiterentwickelt wird. Er treibt es auf die Spitze, wenn er Michelle Labrador als junge Frau mit einer Inselbegabung beschreibt, die ununterbrochen fachliche Termini in enzyklopädischer Breite von sich gibt. So bleibt wenig Raum für die Charakterisierung aller anderen Personen. Was das Lesen noch erschwert, sind die vielen Handlungsstränge, die Plausz anlegt. Unvermittelt findet man sich allein auf den ersten 100 Seiten auf drei Kontinenten wieder, kurzen Episoden, die allesamt wirken wie aus bekannten TV-Serien entnommen.

Folgt man den Kommentaren in Internet-Foren, ist für fast alle Leserinnen und Leser eine Szene etwa in der Mitte des Buches der Wendepunkt für die Entscheidung, das Buch weiterzulesen. Geradezu absurd sinnlos mutet die Szene an, in der ein rustikaler Krebsfischer mit dem Namen Yves sich an einem Sonntagnachmittag mit Labrador eine Kissenschlacht in deren Wohnmobil am Hafenparkplatz liefert. Wer dies aushält, wird belohnt.

Denn ab hier entsteht die große Sogwirkung, eine Spannung, deren Entfaltung nur wenigen Autorinnen und Autoren gelingt. Plötzlich fügen sich die Handlungsstränge zu einem furiosen Ganzen, bis Labrador schließlich im Tresorraum der Nussbaum Société en Commandite par Actions eine große Verschwörung internationaler Konzerne aufdeckt, die Geld in kleinen Scheinen mit einer Wachsschicht überziehen und in frisch gefangenem Fisch (Kuckucksrochen und Grauen Doraden) eingenäht nach New York schmuggeln, um dort Politiker auf UN-Versammlungen zu bestechen.

So modern und plausibel können nur wenige Autorinnen und Autoren schreiben, Plausz ist einer davon.

Wer sich für den Roman interessiert: Einfach in den Kommentaren melden, ca. 12-16 Wochen dauert die Zustellung durch den Verlag.

Tag 52/2016: Autoren für verregnete Sonntagnachmittage

Kurt Vonnegut, Jr. (* 11. November 1922 in Indianapolis; † 11. April 2007 in New York) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Lesetipp: Cat’s Cradle („Katzenwiege“) oder Slaughterhouse 5. Wer sich einen neuen Zugang zum Werk von Lost erarbeiten will, sei insbesondere auf die fiktive Religion des Bokononismus hingewiesen (Cat’s Cradle). Wer Metafiktionalität schätzt, auf Slaughterhouse 5.

Im gehobenen Prepper-Umfeld kennt man bestimmt Ralph Borsodi und seine School of Living (Hintergrund). Hier sind einige schwer zu beschaffende Bücher seines Werkes digitalisiert.

Tag 51/2016: Die große Zeitersparnis

Angenommen, irgendeine Staffel einer gaaaaanz tollen TV-Serie besteht aus 12 Folgen je 45 Minuten und es gibt insgesamt 3 Staffeln. Das wären dann 12*45*3 = 1.620 Minuten = 27 Stunden großes Kino. Nur für diese eine Serie. Aber es gibt ja so viele tolle Serien.

Tipp: Einfach abkürzen und eine Stunde Zeit auf Youtube investieren. Nach „Final Scene“ suchen und ca. 12 Serien-Enden á 5 Minuten von allen  möglichen Serien durchziehen. Mit der ersparten Zeit dann was anderes anfangen, z.B. gute Bücher lesen.

Tipp: Einfach abkürzen, eine Stunde Zeit investieren und immer die letzte Seite lesen.

Keine Ursache. Gern geschehen.

Tag 47/2016: Wir schießen Menschen auf den Mond

Die Menschheit ist zu wahrlich großen Dingen fähig, aber hin und wieder geht es jemand zu schnell und eine Erfindung wie IP-Telefonie soll uns wieder Demut lehren.

Man hat ja sonst nichts zu tun als sich mit plötzlich einfrierenden Telefonen herumzuschlagen, nach Dokumentationen zu googlen, Firmwares per tftp-Server bereitzustellen um den Werkszustand zu erlangen, sich danach in dutzenden Reitern durch hunderte von Konfigurationsoptionen zu wühlen („PRACK ein oder aus?“, „Unterstützt mein Gerät G711.a?“, „…“), sich mit Bugs herumzuschlagen (Erlaubt Zeitserver-Angaben via Domain oder IP, aber nur IP funktioniert) und dann nach 2 Stunden wieder den Zustand von vor 2 Stunden zu bekommen.

Ein ganz normaler Tag im Büro…

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Tag 30/2016: Das Glas ist halb voll

Lese- und Handlungstipp: „Einwandfrei“ von Will Bowen. Über das Buch ist im Netz schon viel geschrieben worden. Zu Recht.

Es geht um eine einfache und gleichzeitig immens schwierige Aufgabe: sich 21 Tage in Folge nicht zu beklagen, zu beschweren, nicht zu jammern, nicht zu nörgeln, nicht zu kritisieren, nicht zu tratschen.

Für Bowen und viele andere ist es eine Tatsache: Es wird zu viel geklagt und gejammert und der Zustand der Welt ist nicht so, wie wir ihn gerne hätten. Bowen sieht hier einen Zusammenhang. Das Denken kreist mehr um das, was nicht stimmt; das Augenmerk liegt nicht auf der gesunden, glücklichen und harmonischen Welt.

Das will Bowen ändern und mit der Sprache beginnen. Als kleines Hilfsmittel liegt dem Buch ein lilafarbenes Silikonarmband bei, das man am Handgelenk trägt. Sobald man gewohnheitsmäßig beispielsweise irgendetwas kritisiert oder losjammert, muss man das Armband abnehmen und über das andere Handgelenk streifen. Das geht, vor allem am Anfang, ziemlich oft hin und her. Das Ziel, 21 Tage in Folge ohne Armbandwechsel, schafft man laut Bowen irgendwann nach vier bis acht Monaten.

Hat man die 21 Tage erreicht, hat man eine neue, positive Gewohnheit etabliert. Laut Bowen gibt es vier Stadien auf dem Weg zur Erlangung einer Kompetenz, hier der Kompetenz eine klagefreie Person zu sein:

  1. Unbewusste Inkompetenz
  2. Bewusste Inkompetenz
  3. Bewusste Kompetenz und
  4. Unbewusste Kompetenz

Der Armbandwechsel ist der hilfreiche psychologische Kniff, seine Gewohnheiten zu durchbrechen. Wer beispielsweise im Verkehr auf die anderen Verkehrsteilnehmer schimpft, wechselt sein Band (Stufe 1). Später denkt er sich nur noch seinen Teil und hält die Klappe (Stufe 2). Irgendwann lässt der Drang, sich in dieser (und anderen) Situationen negativ zu äußern mehr und mehr nach (Stufe 3), zuletzt ignoriert man solche Situationen und konzentriert sich mehr auf das, was man will und verändern kann (Stufe 4). Ein Armband braucht es nicht mehr.

Ein empfehlenswertes kleines Experiment, sich und seine Umwelt bewusster wahrzunehmen. Mindestens.

Tag 6/2016: Die Schönheit des Minutenschachs

Mitte 2014 hatte ich mir vorgenommen, wieder mehr Schach zu spielen. Nach fast 20 Jahren Pause.

Unterbrochen war diese Zeit der spielerischen Trostlosigkeit nur während ein paar kurzen, aber lehrreichen und lustigen Episoden mit meinem damaligen Kollegen Michael. Wir spielten ein paar Partien nach, mal Klassiker, mal vom legendären Duell des Jahrhunderts – und grübelten an einem Abend eine halbe Stunde lang über den letzten Satz eines Kommentars: „Weiß erkennt den Fehler und gibt auf“.

2014 also mit einer neuen Strategie an den Start: 1. Online-Schach und 2. Minuten-Schach, auch „Bullet-Chess“ genannt. Warum Minuten-Schach? Ich will die fehlenden Schachspieljahre quantitativ nachholen 🙂

Nach aktuell nun ca. 7500 Partien kann ich tatsächlich sagen, dass sich ein Verständnis für bestimmte Muster und sinnvolle Antworten eingestellt hat. In einer Minute ist alles drin. Teilweise ergeben sich ganz passable Partien, oft nutzen die Spieler (mich eingeschlossen) aber auch einfach Zeitvorteile gnadenlos aus. Eröffnung liegt mir im Moment mehr, Schwarz muss ich noch die Schwächen der Verteidigung beheben. Aber nicht zu viel verraten.

Was ich allerdings sehr befremdlich finde, ist der Ton, den viele Spieler an den Tag legen. Die meisten Online-Plattformen bieten ja eine Chat-Funktion, die sich im Besten Fall auch ausschalten lässt. Was die Leute nur reitet, die sofort lospöbeln und beleidigen, was das Zeug hält? Oft findet man auf kommentierbaren Profilseiten von Spielern ganze Hass-Orgien. Wir reden von Schach. Komische Welt…

Doch davon abgesehen ist es faszinierend, im Minutentakt mit Leuten aus USA, Indien, China, Frankreich, Polen, der Türkei, Australien usw. usf. zu spielen.

Mal sehen, ob sich dieses Jahr mehr Offline-Schach ergibt!

/BE