2015: Software ohne Rezept

Heute ist mir die SZ vom 15./16. November mit einem Feature über Anton Schmaus in die Hände gefallen. Anton Schmaus ist Koch, ein sehr guter, in Regensburg. Und hat wie Regensburg auch einen Wikipedia-Eintrag.

Einen Satz ziemlich am Ende fand ich interessant:

Symbolfoto. Hat sonst nichts mit dem Beitrag zu tun.
Symbolfoto. Hat sonst nichts mit dem Beitrag zu tun.

Kochbücher besitzt er nicht, die ständige Herausforderung, kreativ zu arbeiten, empfindet Schmaus wie eine Befreiung.

Eine Befreiung! Da macht man sich doch gleich Gedanken, ob man das mit der Befreiung so hinnehmen kann und will. Zumindest, wenn man auch im eigenen Beruf einen Zusammenhang zwischen „Herausforderung“ und „kreativ“ vermutet. Z.B. in der Werbebranche. In der Schule. Der Art Direction. Oder in der Hütchenspielerbranche.

Mit „Kochbücher besitzt er nicht“ ist nicht gemeint, dass Anton Schmaus nicht über exzellentes Fachwissen und Produktverständnis verfügen würde oder Probleme mit dem richtigen Garpunkt hat. Auch nicht, dass er niemals in eines reinschaut, weil er seine Kolleg/innen verachten würde. Nein. Kochbücher enthalten bewährte Rezepte, nicht mehr und nicht weniger. Es kann nichts passieren, mach es einfach nach. Machs Dir leicht. Schlag keinen neuen Weg ein.

Das hört sich trotzdem verführerisch an, wenn man unter Zeitdruck steht. Auch in der Software-Entwicklung mangelt es ja nicht an Kochbüchern. Flask Framework Cookbook, Libgdx Cross-plattform Game Development Cookbook, SQL Cookbook, NetBeans Cookbook, scikit-learn Cookbook, R Graphics Cookbook, Arduino Cookbook, C++ Cookbook, Web Development with Django Cookbook, Ruby Cookbook, Python Cookbook, Mockito Cookbook, … um nur ein paar von den 1.376 Ergebnissen im Buchshop zu nennen.

Darauf verzichten? Dann wird das mit dem Kreativsein doch noch schlimmer? Testabdeckung hier, Deployment dort, ist LESS noch IN oder nur noch SASS? KnockoutJS oder Meteor?, PhoneGap oder nativ? Die Cloud wird jetzt doch zu teuer? Hat das nicht schon mal vor mir jemand gelöst? Wie lautet die beste Antwort dazu auf Stackoverflow? Darf ich dafür jetzt RAW SQL verwenden? Refactoring oder einfach in der Basisklasse rumwursteln? CSS-only oder fixe ich das schnell mit Javascript? Zahlt mir das überhaupt jemand oder codiere ich das nicht lieber schnell hart?

Vielleicht ist es aber gar nicht so schlimm. Denn am Ende ist nur entscheidend, ob das Gericht vom Gast die Bestnote bekommt. Im Artikel steht: „…ohne viel Chichi…die Produkte in einen zeitgemäßen Kontext zu bringen“.

Der Weg zur Bestnote wird leichter, wenn Fehler passieren dürfen, wenn dem Fehler ein Wagnis vorausging, eine Vermutung, eine Neugierde, ein Interesse. Dann kann man etwas verändern, daran schrauben, es besser oder etwas ganz Neues machen. Vielleicht sogar „εὕρηκα
rufen.

Und dann wird, langsam aber sicher, das fehlende Kochbuch zur Befreiung.

Notiz an mich: Tisch beim Schmaus reservieren, für 2015.

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