Erster Kinobesuch 2022: Das große Fressen

Wer kennt den französisch-italienischen Klassiker La Grande Bouffe nicht? Er handelt von einer Gruppe Menschen, die nach einer längeren Zeit der Pandemie mal wieder ins Kino gehen. Dort bekommen sie vom kleinen Independent-Kino vor Ort einen Trailer serviert, der sich frotzelnd über die Smombies („Smartphone-Zombie“, you know) lustig macht, die alles fotografieren und in Stories packen und unkonzentriert alles hirnlos wegkonsumieren. Im Kino hingegen, so die Moral der Geschichte, haben sie tollen Sound, Entspannung und Begeisterung und ein unvergleichbares Erlebnis. Der Sprecher aus dem Off spricht sie dann direkt an, jetzt das Smartphone auszumachen und sich dem Genuss hinzugeben.

Die Haupthandlung von La Grande Bouffe beginnt dann nach dem Trailer und dem Aufruf für das unvergleichliche Erlebnis. Es beginnt das große Kauen, Schmatzen, Schlucken, Süffeln, Nagen, Äsen, Knabbern, Knirschen, Schlingen, Fingerabschlecken, Rascheln, Knuspern, Aufstoßen. Eine wunderschön-menschliche Untermalung zu jedem Schlüsselmoment des Films.

Ganz großes Kino!

Episode 90/2017: Die Tonspur, Dimi und Limi

Irgendwann, so zwischen 1996 und 2000, musste man sich im Web bzw. im Beruf mit der blöden These rumschlagen, Texte müssten „online“ möglichst kurz sein. Wer surft, mag keine langen Texte lesen. Schnell erfassen, klick, weiter.

Mittlerweile sieht man das wieder etwas entspannter. Gutes Copywriting, hervorragende Texte – sie bedürfen keiner künstlichen Längenbegrenzung, solange dich jeder Satz zum Lesen des nächsten Satzes verführt („Slippery Slide“-Modell).

So wie hier:

Ein Familienmitglied hat mir dankenswerterweise den Link zu Stefan C. Limbrunners grandioser Besprechung des Exorzisten von 1973 geschickt. Ausgedruckt hätte sein Post zwischen 33 und 50 Seiten (die HTML-Vorlage ist leider nicht optimal). Wer Stefan C. Limbrunners (oder „Limi“, wie alte Bekannte ihn nennen, was sich ein bisschen anhört wie „Dimi“, wie Damien Karras von seiner Mutter genannt wird) Texte kennt, weiß, dass Kurzfassen nicht sein Ding ist und das ist gut. Sehr gut sogar.

Dass die Tonspur des Films etwas besonderes ist, habe ich immer schon vermutet, aber eher auf die technischen Möglichkeiten bzw. Beschränktheiten der damaligen Zeit verortet. Auch in der Hinsicht ist Stefans Post ein Augenöffner.

Ich glaube, es wird mal wieder Zeit für eine Schüssel Erbsensuppe und 2 Stunden Filmgenuss.

Episode 28/2017: Besuch im Museum

Nachdem ich heute etwas vom Museum ausgeliehen habe, man nannte es „DVD“, wurde mir schlagartig (bzw. langatmig) wieder bewusst, was damals den Siegeszug der Videostreamingportale ausgelöst hat: Die nicht vorhandene Gängelung.

Nachdem ich den Staub vom „Laptop“ gepustet habe, der DVD-Schlitten mit der DVD bestückt wurde, eine Software zum Abspielen startete, die mechanischen Dinge ihren Lauf nahmen, ging es … nicht los. Erstmal diverse einfliegende Logos von mir völlig egalen Filmlizenzierern, -verleihern, -händlern und -studios; dann drei Filmvorschauen, zwei davon noch im 4:3-Format (gnihihihi), dann das Hauptmenü in deutscher Sprache, man klickt auf „Film starten“, der Film ist dann allerdings in englischer Sprache (gnihihihihihihihihi); dann wieder versuchen zu erinnern, ob „Hauptmenü“ oder „Titelmenü“ besser ist, egal, drauf Klicken führt sowieso zu keinem Ergebnis. Also Software wieder beenden und nochmal ganz von vorne anfangen um woanders zu klicken und die gewünschte Sprache einzustellen. Achja, die Raubkopie-Hinweise und FSK-Texte hatte ich noch vergessen.

Meine Güte.

Tag 364/2016: The OA

The OA ist eine schottische Halbinsel, aber auch eine US-amerikanische Mysteryserie auf Netflix. Heute früh oder spät, je nachdem ob man die Uhrzeit als Tag-Nacht-Zyklus-Mensch oder Schichtarbeiter interpretiert, fertig-gebinged.

Wer beim Wort „Mystery“ nicht schon aus-, um- oder abschaltet, wird mit der Serie sicherlich auf seine/ihre Kosten kommen. Basierend auf Ideen von Brit Marling (spielt auch die Hauptrolle, Indie-Sehern sicherlich bekannt) und Zal Batmanglij, kamen acht Folgen heraus, bei denen tatsächlich Zeit blieb, den Personen etwas Raum und Tiefe zu verleihen.

Es geht auch weit weniger actionreich zu wie bei Sense8 (von den Wachowski-Brüdern-und-Schwestern und J. Straczynski). Nachdem ich bei fiktionalen Themen bzw. Serien dieser Art sowieso nicht mit dem Logik-Kontrollbuch arbeite, habe ich auch am Schluss nichts auszusetzen. Im Netz finden sich genug Aussagen der Schauspieler und der Regie, um sich die Interpretationen bzw. Intentionen dahinter aus unterschiedlichen Blickwinkeln nahezubringen (allerdings zu fast 100% mit Spoiler-Gefahr).

 

Tag 229/2016: Ok, Heroes Reborn

Sehr verständlich, warum Heroes Reborn als Fortführung der ursprünglichen Heroes-Serie nicht mehr funktioniert hat: Es reicht nicht, dass Tim Kring weiß, wie man Geschichten erzählt – die Figuren bekommen einfach keinerlei Tiefgang mehr, keinen glaubhaften inneren Konflikt.

Alles ist ein einziges Zitat für die Fans der originären Heroes-Serie. Voll und ganz nur noch akzeptabel für Anhänger des Mystery-Genres oder Comic-Adaptionen unter der Annahme, dass Glaubwürdigkeit für die besonderen Fähigkeiten der handelnden Personen gar nicht mehr hergestellt werden muss. Fähigkeiten verschmelzen aufdringlich mühelos zwischen analoger und digitaler Welt (Miko Otomo/Kiki Sukezane oder Micah Sanders/Noah Gray-Cabey) und trotz des Füllhörns aus „Evolvierten“ gibt es zum Nachteil für die Spannung doch keinen Oberbösewicht, wie ihn noch Sylar (Zachary Quinto) verkörpert hat. Primatech als Firma kann einfach so verkauft werden, als handelte es sich um ein gewöhnliches Unternehmen. Auch egal, die Liste der komischen Entscheidungen und Abkürzungen a’la Dampfhammer im Script ist lang.

Am Ende gibt es noch einen kleinen Erklärbär in Form von Henry Zebrowski, damit wir die Message hinter „Heroes“ auch verstehen; dann den obligatorischen Cliffhanger, den Angela Petrelli gewohnt allwissend auflösen darf.

Naja.

Tag 113/2016: Match des Jahrhunderts

Die Schachweltmeisterschaft 1972 gilt als das Match des Jahrhunderts. Boris Spasski, amtierender Weltmeister, verlor gegen Bobby Fischer, den Herausforderer.

Im lesenswerten Buch Wie Bobby Fischer den Kalten Krieg gewann: Die ungewöhnlichste Schachpartie aller Zeiten wird der ganze Irrsinn sehr schön beschrieben.

Nun gibt es eine Verfilmung mit dem Titel „Bauernopfer“.

Im SZ-Magazin war heute ein netter Artikel darüber; sie haben sich mit Boris Spasski die Hollywood-Verfilmung angesehen (Fischer selbst verstarb 2008 in Reykjavík, Island). Fischer, zu Lebzeiten ein großer Schlaks, wird seltsamerweise vom eher kleinen Spiderman gespielt, Spasski von Victor Creed (dem Bruder von Wolverine). Vieles an den Personen fällt im Film wohl unter den Tisch, aber dafür gibt es natürlich schon länger genug andere Quellen aus Büchern & Dokumentationen.

Wer sich den Film mit mir ansehen möchte, wenn er rauskommt, einfach Laut geben. Hier der Trailer:

Tag 85/2016: Filmtipp Zoomania

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit wurde ein Film in einigen wenigen Programmkinos vom kritischen Publikum sehr wohlwollend rezipiert: Zoomania.

Der Film markiert den Beginn einer neuen Ära, in der Literatur als angry young sloth bestimmt. Im Mittelpunkt steht „Flash“, ein Faultier, das seine Liebe Priscilla verraten muss, um schließlich seinen vermeintlich angestammten Platz in der Gesellschaft verlassen zu können. Am Ende sehen wir ihn in einem an der Front mit reichlich Leichtbau ausgestatteten Kohlefaser-Gefährt sitzend, sich seiner Vergangenheit wohl bewusst, dennoch neu erschaffen, aber als Vertreter eines konsumunkritischen Gesellschaftsbildes.