Tag 63/2016: Fantastische Zeiten für Journalismus

Nie waren die Zeiten besser, Journalismus neu zu denken und neue journalistische Angebote anzubieten!

  • Die Bereitstellung von Inhalten ist flexibel und keiner Taktung mehr unterworfen; ein 24/7-Journalismus ist durch den gleichen Anbieter möglich; gleichwohl kann die Taktung gemäß persönlicher Neigung programmatisch (durch Personalisierung oder Bots) wiederhergestellt werden („Nachrichten zum Frühstück“, Tageszeitung, Wochenzeitung, Abendzeitung, Wochenende, stündlich, …).
  • Relevanz-Kriterien können vollständig vom „Konsumenten“ definiert werden; wohlmeinende, auch bevormundende, auch kampagnenintendierte  „Kurierung“ von Inhalten erübrigt sich.
  • Der vermeintliche berufliche Ansehensverlust ist oft weinerlich oder nostalgisch verklärt, der Konsument ist im einfachsten Fall genauso Schein-Experte („Das 15-Minuten-Internet-Wissen“); im Besten Fall weiß er es tatsächlich besser; die vierte Gewalt wird nun ihrerseits, durch die Macht der Vielen, kritischer beäugt; die im Ergebnis direkten Debatten und kritischen Diskussionen könnten als neue Qualitäten, Engagement und Politisierung aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
  • Es besteht kein Zwang zur kontinuierlichen Veröffentlichung aus nicht-inhaltlichen Gründen („Den Platz zwischen den Anzeigen füllen“).
  • Neue technologische Entwicklungen entlasten von Routineaufgaben, Roboterjournalismus macht das Banale trivial; „geführtes“ Texten ermöglicht gleichbleibende qualitative Standards auch unter Zeitdruck (Phrasendatenbanken und mehr); Sensornetzwerke halten Einzug, Anbieter etablieren sich; Exzellenz und Kreativität sind weiterhin Abgrenzungsmerkmale.
  • Graphendatenbanken werden Gemeingut; Zusammenhänge können leichter hergestellt werden; Archivdienstleistungen können entstehen, auch durch Öffnung (und Digitalisierung) bisheriger Verlagsarchive.
  • Online herrscht Konformismus und wenig Experimentierfreude unter den Verlagsportalen; Pseudo-Perfektionismus führt zu Langsamkeit und überteuerten Investitionen; noch immer leistet man sich den Luxus der Fronten zwischen Print und Online, der Generationen-Debatten; genug Angriffsfläche für Neugründungen ohne Dünkel und Druckwerk (Naivität geht leichter neue Wege; Websites, Audio, Video & Mail sind Commodity).
  • Die Verschmelzung von Berufsgruppen ermöglicht neue Angebote; vor allem Softwareentwickler kommen mit ins Boot; statt erschlagendem Fleißaufgabenjournalismus („Seht her, ich kann Balkendiagramme, viele“) kann fachliche Expertise beim Konsumenten punkten.
  • Smartphones ermöglichen Push- und Pull; Konsum aber auch Produktion; neue Möglichkeiten des Feedbacks, der journalistischen Kontrolle und Kritik; sie machen den momentanen Ort zum personalisierten Suchkriterium für das Nachrichtenangebot.
  • Das Ende der gedruckten Zeitung ist näher denn je und damit schwinden Einstiegshürden für alternative, ökonomischere Verbreitungswege weiter: Biegsames „Papier“, Brillen, Smartwatches, Brillen, In-Ear-Funkmodule, Display-Armreifen, Würfel-Beamer; ein Eldorado für Early-Mover, Gatekeeper, Newsbroker, Start-Ups.
  • Medienübergreifendes Tracking und Datenanalyse birgt mehr Potential denn je; worüber berichtet werden muss, wo die Konsumenten „abgeholt“ werden bekommt dank Geolokalisierung einen ganz neuen Stellenwert;
  • Einnahmen für journalistische Dienstleistung werden immer dann möglich sein, wo Angebot auf Nachfrage (oder Rundfunkbeiträge) trifft; diese wirtschaftliche Banalität ist im Denken von Start-Ups stärker verankert als in vielen traditionellen Gemischtwarenläden.
  • Vor allem in gefühlt chaotischen oder unüberschaubaren Zeiten gibt es Bedarf an Ordnung und Erläuterung; Forderungen nach Transparenz, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Vertrautem; diese Sehnsucht teilen auch die Lügenpresse-Gläubigen, wenn sie heimlich am Kiosk die Überschriften lesen und vom Korrespondentennetzwerk profitieren; auch hier Chancen ohne Ende.

Aber genug, die Erkältung ruft.

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